Aufgezeichnet! Von der Höhlenmalerei zum modernen Comic
16. März bis 24. November 2024Das MAMUZ Schloss Asparn/Zaya zeigt bis 24. November 2024 die Sonderausstellung „Aufgezeichnet! Von der Höhlenmalerei zum modernen Comic“, die in Zusammenarbeit mit dem Karikaturmuseum Krems entstanden ist. Thematisiert werden die ersten offenbar gewollt komischen Inhalte aus der Urgeschichte und Antike, die karikaturhafte Darstellung der archäologischen Forschungspraxis sowie moderne Arbeiten, die in eine urgeschichtliche Umgebung versetzt werden. Dabei ermöglicht das Ausstellungskonzept eine Auseinandersetzung mit vielfältigen weiteren Publikationen und schafft Raum, sich selbst künstlerisch auszuprobieren. Es zeigt sich: Wissenschaft und Kunst haben mehr gemein, als es auf den ersten Blick vermuten lässt.
Zunächst mag der Zusammenhang zwischen Archäologie und Karikatur nicht offensichtlich sein. In der Kunst ist die kritische Auseinandersetzung mit dem Zeitgeschehen, in der Wissenschaft eine vorläufige Theorie und Erkenntnisgewinn das Ziel. Bei näherer Betrachtung zeigen sich zahlreiche Anknüpfungspunkte und Überschneidungen der wissenschaftlichen und künstlerischen Genres. Beobachtung, Studium und Experiment sind in beiden Disziplinen zu beobachten, doch führen sie zu unterschiedlichen Ergebnissen. Der Weg, der zu diesen führt, unterscheidet sich grundlegend voneinander: Wissenschaft ist geprägt von Logik und Struktur, Kunst hingegen von der Einbildungskraft und ästhetischen Überlegungen.
Archäologie ist eine sehr bildaffine Wissenschaft. Informationen werden, auch heute noch, vielfach über Grafiken von Grabungssituationen oder Fundstücken transportiert und vermittelt. Bereits in der Ausbildung der Studierenden ist die zeichnerische Arbeit fest verankert und wird für Grabungsdokumentationen oder wissenschaftliche Fundaufnahmen benötigt. Dadurch entstanden bisweilen kleine Kunstwerke, die auch den Vorteil hatten, dass sich die Ausgräber:innen bei der Zeichenarbeit sehr intensiv mit den Befunden auseinandersetzen mussten, sodass auch unscheinbare Details bemerkt und dokumentiert werden konnten.
In der Karikatur ist es ein gängiges Stilmittel, relevante Gesellschaftsfragen in eine urgeschichtliche Umgebung einzubetten und sich archäologischer Symbolik zu bedienen. Dies geschieht mitunter, um eine besonders überspitze Wahrnehmung zu erreichen.
Erstmalige Zusammenarbeit zwischen Karikaturmuseum und MAMUZ
Es ist die erste gemeinsame Ausstellung des Karikaturmuseum Krems und des MAMUZ, sogleich ein Zusammenspiel von zwei bedeutenden Institutionen der niederösterreichischen Kulturlandschaft. Dabei treffen Wissenschaft und Kunst, Archäologie und Karikatur/Comic/Graphic Novel aufeinander – und zeigen, dass sie mehr verbindet als zunächst angenommen.
Gottfried Gusenbauer, künstlerischer Direktor des Karikaturmuseum Krems, war sogleich Feuer und Flamme: „Als das MAMUZ mir vorgeschlagen hat, zusammen an einem Projekt zu arbeiten, war ich sofort begeistert. So viele Comic- und Illustrationsarbeiten habe ich schon gesehen, die aktuelle Themen und gesellschaftliche Fragestellungen in die Urgeschichte transferieren, um sie damit deutlicher, witziger und scharfsinniger zu erklären. Das Besondere an diesem Projekt ist, dass man die Gelegenheit bekommt, mit Wissenschaft, Humor und Kunst eine Ausstellung zu entwickeln.“
Und Franz Pieler, wissenschaftlicher Leiter des MAMUZ, ergänzt: „Die archäologischen Entdeckungen der letzten 200 Jahre haben unser heutiges Weltbild und Selbstverständnis wesentlich mitgeprägt. Dieser Prozess des Erkenntnisgewinns wurde und wird von Zeitgenoss:innen aufmerksam, bisweilen auch skeptisch beobachtet, satirisch kommentiert und bildlich verarbeitet. Der Höhlenmensch mit Keule als Sinnbild für Rückständigkeit oder die Bloßstellung moderner (Un)sitten durch ihre Übertragung in die Urgeschichte sind nur zwei Beispiele für die Symbiose aus Archäologie und Karikatur.“
Eine offensichtliche Verbindung der beiden Disziplinen ist bei „Familie Feuerstein“ vereint: Produziert von Hanna und Barbera ist es eine der erfolgreichsten US-amerikanischen Zeichentrickserien, die bis heute das Bild von sogenannten Urgeschichte-Cartoons prägt. Dabei zeichnen die Feuersteins ein fiktives und völlig unwissenschaftliches Bild der Urgeschichte, beginnend, dass Dinosaurier und Menschen nicht gemeinsam die Erde bewohnten, sondern rund 65 bis 230 Millionen Jahre voneinander getrennt waren. Die Hauptprotagonist:innen, Fred und Wilma Feuerstein und Betty und Barney Geröllheimer, beschäftigen moderne Probleme der amerikanischen Mittelklasse in den 1960er Jahren und weckten darüber hinaus auf humorvolle Weise das Interesse für Urgeschichte.
Auch „Silex in the City“ des französischen Zeichners und Autoren Jul (u.a. der Autor von „Lucky Luke“) verarbeitet aktuelle Gesellschaftsthemen in steinzeitlicher Umgebung. Silex bedeutet Feuerstein und der Name wurde in Anlehnung an die bekannte US-amerikanische Serie rund um vier Frauen in der Großstadt gewählt. Im Jahr 2009 wurde die Comicserie bei Dargaud veröffentlicht und 2012 als Zeichentrick-Fernsehserie bei ARTE ausgestrahlt. Die Einschaltquoten waren hoch, 2013 lagen sie bei rund 1,3 Millionen Zuseher:innen in Frankreich. In der Ausstellung sind einige Episoden der erfolgreichen Serie zu sehen.
Ausstellungshighlights und Künstler:innen
Die Ausstellung widmet sich dem Zusammenspiel von Archäologie und Karikatur in gleich mehrfacher Art und Weise: Einerseits werden karikaturistische Darstellungen und Comics über Archäolog:innen und deren Forschungsalltag thematisiert. Als Sinnbild widmen sich Leo Leitner und auch die Comic-Künstlerin Bettina Egger dem täglichen Tun der Forschenden, mit seinen Stimmungen, Schwierigkeiten und (un)gewollt komischen Alltagssituationen.
Leo Leitner vereinte als wissenschaftlicher Zeichner und Karikaturist die Wissenschaft und die Kunst auf geradezu einmalige Weise. Als Vielzeichner fertigte er nicht nur Zeichnungen seines beruflichen Umfelds, sondern auch Stadtpläne und Radwanderkarten aus der Vogelschau und detailgetreue Abbildungen urgeschichtlicher Objekte an. Als begabter Künstler widmete er sich schließlich insbesondere der Karikatur und der Satire. Er illustrierte und dichtete, oft auch im unverkennbaren und definitiv nicht jugendfreien „Leitner-Style“. Dabei sind aberwitzige Details zu erkennen, nicht umsonst lautet eine bekannte Aussage von Leo Leitner: „Wenn du zeichnest, musst du genau arbeiten, es gibt immer Leute, die sich das Detail anschauen.“
Die Comic-Künstlerin Bettina Egger hat sich der Aufgabe gestellt, herauszufinden, wie Comics wissenschaftliche Themen vermitteln und in Szene setzen können. Dabei zeigt sie vollen Einsatz: „Ich möchte den oft auch eintönigen Alltag der Forschenden zeigen, hinter die Kulissen der Grabungen blicken, die Stimmungen in der Gruppe einfangen und auch die Schwierigkeiten bei der Forschungsarbeit zeigen: Hitze, Regen, Wind, die Abgeschiedenheit, giftige Schlangen und Spinnen – also alles, was man in wissenschaftlichen Studien nicht liest.
Katharina Kubin verpackt als Illustratorin und Autorin von Graphic Novels wissenschaftliche Erkenntnisse in fiktive Geschichten: „Mein Ansatz dabei ist, dass das Faszinosum dieser frühgeschichtlichen Funde aus dem Zusammenspiel von Wissen und Nicht-Wissen entsteht: Sie geben uns (punktuelle) Einblicke in vergangene Formen menschlichen Zusammenlebens, aber lassen auch viele Leerstellen. Hier kommt die Fiktion ins Spiel, die diese „weißen Flecken“ interpretiert und – wie im Falle meiner künstlerischen Arbeit – mit Geschichten füllt.“
Darüber hinaus zeigen Bildwitze und Karikaturen, die zwar aktuell gesellschaftliche relevante Fragestellungen behandeln, aber in die Urgeschichte versetzt werden, eine offensichtliche Verbindung mit der Archäologie auf. Gerade Michael Pammesberger, Bruno Haberzettel, Erich Sokol, Gerhard Haderer und Jens Harder verstehen es in treffender Weise, satirische Vergleiche mit der Urgeschichte zu ziehen, die noch immer aktuell sind. Dabei wird intuitiv angenommen, dass sich der Mensch über die Jahrtauschende nicht wirklich verändert hat. Früher wie heute ist den Lebensumständen angepasste Intelligenz und soziales Verhalten für den Menschen erfolgsversprechend.
Der vielfach prämierte Berliner Künstler Jens Harder ist Autor und Zeichner von Comicbüchern der Superlative. Seine Geschichten greifen vom Urknall, der Entstehung von Flora und Fauna bis zum Urmenschen, wie man sie bis dato noch nicht gesehen hat. Harder erweitert dabei herkömmliche Erzählstrukturen mit assoziativem Erzählen. Er verzichtete auf umfangreiche Texte und verbindet stattdessen verschiedene Schöpfungsmythen und Erkenntnisse aus der Naturwissenschaft mit Zitaten aus der Kunstgeschichte. Damit verbindet er menschliche Vorstellungen mit Fakten und baut visuelle Brücken in seinen Graphic Novels.
Christoph Mayer, Geschäftsführer des MAMUZ, ist stolz, dass eine institutionenübergreifende Zusammenarbeit innerhalb der niederösterreichischen Kulturbetriebe geglückt ist: „Mit dem Karikaturmuseum Krems haben wir einen spannenden Partner gefunden, um unsere archäologischen Inhalte in einer ganz neuen Weise zu präsentieren. Die neue Sonderausstellung ermöglicht einen neuen und humorvollen Blick auf 40.000 Jahre Menschheitsgeschichte und fügt sich ideal in unser umfangreiches Angebot im MAMUZ ein.“